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Leben in Koblenz

Theater Koblenz

Cyrano de Bergerac


Am 3. Oktober 2024 feierte auch die Sparte Schauspiel des Theaters Koblenz mit „Cyrano de Bergerac“ ihr Debüt im Theaterzelt. Regisseurin Caro Thum inszeniert Martin Crimps Aktualisierung des Versdramas von Edmond Rostand aus dem 19. Jahrhundert, das an weiteren 8 Vorstellungsabenden bis zum 3. November zu sehen ist.

„Cyrano de Bergerac“ ist eine wahre Ode an die Sprache und an den spritzigen Wortwitz. Denn der britische Dramatiker Martin Crimp katapultiert Edmond Rostands Versstück mit seiner brillanten Aktualisierung fulminant humorvoll und poetisch ins 21 Jahrhundert.

Cyrano ist ein Draufgänger, dessen Fechtkunst gefürchtet ist. Doch schärfer als sein Degen ist seine Sprachgewandtheit, mit der er Worte in schlagfertigen Witz oder in zärtliche Poesie verwandelt. Er liebt die schöne, kluge Roxane, rechnet sich aber wenig Chancen bei ihr aus, da ein Makel ihn quält: seine übergroße Nase. Als Roxane sich in den schönen, aber sprachlich wenig talentierten Kadetten Christian verliebt, eilt Cyrano ihm zur Hilfe, er wird sein Ghostwriter und schreibt Roxane die wunderschönsten Liebesbriefe. Auch souffliert er Christian, wenn dem, im Kontakt mit Roxane, wie so oft die Worte fehlen. Nach und nach verirren sich die drei im Labyrinth von Liebe, Täuschung, Verkennung und Leid. Als Cyrano und Christian schließlich in einen Krieg abkommandiert werden, gibt Cyrano ein Versprechen an Roxane: aufzupassen, dass dem geliebten Mann kein Leid geschieht. Doch ein Krieg ist schmutzig und hart, er zerstört die Poesie und führt die Welt in die Prosa – und das gilt leider immer und überall, zu allen Zeiten, im Theater und in der Realität.

Martin Crimps Neufassung des Versromans aus dem 19. Jahrhundert wurde von der Presse als ein Befreiungsschlag gefeiert: „Sie entstaubt Rostands Versdrama und zeigt, was es heißt, lebendig zu sein. In diesen mitreißenden Abend muss man sich einfach verlieben.“ (Daily Telegraph) Sein Text folgt der Form von Spoken Word bis Rap, die Sprache ist ein gelungener Spagat von alt bis heutig, von gehoben bis umgangssprachlich, die Reime sind kunstvoll oder vermeintlich gestümpert, was dank der Rollenführung der regieführenden Schauspieldirektorin Caro Thum auch für
höchst unterhaltsame Momente sorgt. Ihre Inszenierung ist sehr modern und atmosphärisch angelegt; die Szenen werden eindrucksvoll von Lukas Kiedaischs Musik gestützt. Sie schöpft das Potenzial zeitgenössischer Debatten, um die Crimp den Klassiker mit seinem Text erweitert hat, voll aus, thematisiert sexualisierte Gewalt, platziert Kritik an patriarchalen wie despotischen Strukturen, gibt feministische Impulse – das alles in einer sehr feinen, unaufdringlichen Art. Genauso unaufdringlich ist in ihrer Inszenierung Cyranos Nase, hier nicht übergroß, sondern mit Nasenverband dargestellt, und würde nicht im Text darüber gesprochen, würde man das, worum es geht, nicht an der Nase festmachen: Body-Shaming. Die Verurteilung und Diskrimierung einer Person durch andere aufgrund von Äußerlichkeiten; was das in jener Person auslösen und wie es das Selbstbewusstsein beeinträchtigen kann bis hin zu Selbstsabotage und Selbstzersetzung.

Umso aufdringlicher – im besten Sinne – ist Sara Kittelmanns Kostümbild. In ihren Kleidern sind Zitate der (Militär-)Mode des ausgehenden 19. und anfangenden 20. Jahrhunderts zu lesen, doch vor allem kommen sie fast wie Haute Couture daher. Da ist ein bisschen Drag- und Glam-, Hipster-, Techno- und Burlesque-Style dabei, sehr viel Intensität und Detail. Das passt sehr gut zur Regie-Perspektive und ins reduzierte Bühnenbild von Wolf Gutjahr: Tribüne und Bühne sind mit roten Prospekten abgehängt, die den klassizistisch gestalteten Zuschauersaal des Großen
Hauses am Deinhardplatz zeigen und hier im Kontext leise ans Moulin Rouge Theater denken lassen. Durch eine bühnenbreite, sich drehende Traverse, von der ebenjene Stoffbahnen wie ein Raumtrenner herabhängen, entstehen verschiedene Räume, kommt Bewegung in die Szene. Für den zweiten Teil des Abends, die Handlung ist jetzt aufs Schlachtfeld verlagert, wird die rote Bühneneinkleidung heruntergerissen, in roten Haufen am Boden liegend, lässt sie an die Opfer und Gräuel des Kriegs denken, daran, dass letztlich niemand gewinnt, wie auch der Zeitsprung zum Stückfinale aufzeigt.

Die Premiere von „Cyrano de Bergerac“ fand am Donnerstag, den 3. Oktober 2024 um 18:00 Uhr im
Theaterzelt statt. Weitere Vorstellungstermine: 5.|6.|9.|10.|14.|20. Oktober sowie 1.|3. November
2024. Karten sind an der Theaterkasse oder auf www.theater-koblenz.de erhältlich.