Fritz-Michel-Straße
Benennung
Beschluss des Stadtrats vom 11. Februar 1971.
Erläuterung
Dr. med. Dr. phil. h. c. Fritz Michel (Niederlahnstein 17. September 1877 – 30. Oktober 1966 Koblenz) ließ sich nach dem Studium der Medizin 1905 in Koblenz als Gynäkologe nieder. Gleichzeitig war er am Krankenhaus Evangelisches Stift St. Martin tätig, dessen Chefarzt er von 1927 bis 1947 war. In seiner Freizeit betrieb er kunsthistorische Forschungen, aus der zahlreiche Veröffentlichungen hervorgingen. Dafür erhielt Michel die Ehrendoktorwürde der Universität Bonn. 1952 verlieh die Stadt Koblenz ihm die Ehrenbürgerwürde, wovon sich der Stadtrat mit Beschluss vom 15. Mai 2020 distanzierte. 1989 fand die Einweihung eines Denkmals für den ehemaligen Chefarzt vor dem Krankenhaus Evangelisches Stift statt.
In der NS-Zeit führte Michel auf Anordnung eines Erbgesundheitsgerichts auch ohne Einverständnis der betroffenen Frauen Zwangssterilisationen aus eugenischen Gründen (geistige und/oder körperliche Behinderungen, Alkoholismus etc.) durch. Gesetzliche Grundlage war das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933. Im August 1935 wurde das Evangelische Stift ermächtigt, auf der gleichen Gesetzesgrundlage Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Derart begründete Eingriffe waren während der NS-Zeit tatsächlich „legal“, aus heutiger Sicht müssen sie jedoch als rechtswidrig gelten. Darüber hinaus ist er mit seinem Antrag auf die Genehmigung für einen Schwangerschaftsabbruch bei einer 21-jährigen Frau, die er zwangssterilisieren sollte, eigeninitiativ geworden. Sein Antrag wurde vom Stellvertreter des Führers genehmigt. Damit hat Michel – ohne Not – ganz massiv und irreversibel in Leib und Leben einer Person resp. Patientin eingegriffen.
Erinnerungskultur
Der Stadtrat hatte der Verwaltung den Auftrag gegeben, alle Koblenzer Straßennamen auf eine Belastung hinsichtlich der Namensgebung zu prüfen. In einer dezernatsübergreifenden Projektgruppe wurden alle Koblenzer Straßennamen auf den historischen Hintergrund der Benennung überprüft. Nach intensiver Recherche und Diskussion wurde dem Stadtrat vorgetragen, dass der Straßenname Fritz-Michel-Straße als belastet einzustufen ist. Der Stadtrat hat sich nach Abwägung aller Argumente für die Beibehaltung des Straßennamens ausgesprochen.
Straßennamen legen als „geronnene Geschichte“ Zeugnis ab von vergangenen politischen und gesellschaftlichen Wertvorstellungen. Durch die Beibehaltung der Straßenbenennung wird den nachfolgenden Generationen die Möglichkeit gegeben, sich der Zeitbedingtheit von Straßennamen bewusst zu werden.
Nach heutigen Wertvorstellungen würde eine solche Straßenbenennung nicht mehr erfolgen.