Planzeichnung

Widerstandsweg

auf der Pfaffendorfer Höhe

Ulrich-De-Maizière-Campus

Zeitgeschichtliches Schlaglicht:

Etwa fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, vor dem Hintergrund des sich verschärfenden Ost-West-Konflikts, schien die Neuaufstellung westdeutscher Streitkräfte notwendig geworden zu sein.

Die dafür geschaffenen Rechtsgrundlagen, das neue Selbstverständnis und die neue Führungskultur sollten einen erneuten Missbrauch militärischer Gewalt verhindern.

In dem 1957 herausgegebenen „Handbuch Innere Führung“ wurde der Widerstand gegen den Nationalsozialismus mit einer ethischen Einordnung und einem Hinweis auf dessen Traditionswürdigkeit für die Bundeswehr gewürdigt.

Ulrich de Maizière (24.02.1912 – 26.08.2006)

Ulrich de Maizière gilt neben Johann Adolf Graf von Kielmansegg und Wolf Graf von Baudissin als einer der „Väter der Inneren Führung“ mit dem Leitbild des „Staatsbürgers in Uniform“.

Er war nicht aktiv am Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt, obwohl er in seinen Positionen einen guten Überblick über die Lage und auch die Verbrechen gehabt haben muss und direkten Zugang zu Schlüsselpersonen des Regimes hatte.

Gleichwohl leistete er einen wichtigen Beitrag zum Aufbau einer neuen Armee, die Lehren aus dem Missbrauch militärischer und politischer Macht durch das NS-Regime gezogen hatte. Die Rechtsgrundlagen und die Konzeption der Inneren Führung der Bundeswehr beinhalten zentrale Aspekte, um einen solchen Missbrauch künftig zu verhindern.

Lehren aus der Geschichte:

Rechtsgrundlagen und Innere Führung der Bundeswehr

Die Rechtsgrundlagen, sowie das Selbstverständnis und die Führungskultur der Bundeswehr - die Innere Führung - berücksichtigen viele Aspekte, die einen Missbrauch militärischer Gewalt künftig verhindern sollen. Dazu zählen unter anderem:

  • Eine Eidesformel, die den Dienst auf Werte und nicht auf Personen verpflichtet,
  • eine Remonstrationspflicht und ein Widerstandsrecht,
  • ein gewissensgeleiteter Gehorsam mit einer Befehls- und Gehorsamsverantwortung,
  • Koalitions- und Beteiligungsrechte,
  • eine enge parlamentarische Kontrolle,
  • eine bzw. ein Wehrbeauftragter,
  • eine Trennung zwischen Wehrverwaltung und Streitkräften,
  • ein Leitbild des Staatsbürgers in Uniform,
  • demokratische Rechte auch für Soldatinnen und Soldaten und eine Einschränkung ihrer Grund- und Freiheitsrechte nur soweit dies zwingend erforderlich ist,
  • ein Verbot der Planung von Angriffskriegen,
  • sowie die Einbettung der Streitkräfte in internationale Bündnissysteme mit dem Ziel der kollektiven Verteidigung und Friedenssicherung.

 

Die Innere Führung

„Geistige Rüstung und zeitgemäße Menschenführung, zusammengefasst in der Inneren Führung, bilden die notwendige Ergänzung zur ‚äußeren‘, der organisatorischen, operativen oder taktischen Führung.

Innere Führung – in diesem Sinne verstanden – ist Sache jedes einzelnen Offiziers und Unteroffiziers. Wer heute Soldaten führt, muß ihre geistige Abwehrbereitschaft schärfen. Er muß zugleich die Formen einspielen helfen, durch die bei freien Menschen ein Höchstmaß an militärischer Leistung erzielt werden kann.“

(Bundesministerium der Verteidigung, Abteilung Streitkräfte I

(Hrsg.). Handbuch Innere Führung. Hilfen zur Klärung der Begriffe. Bonn 1957, S. 171)


Der 20. Juli 1944: Gedanken zum Widerstand

„Widerstand ist kein speziell soldatisches Problem; er hat daher nichts mit Gehorsam, Ungehorsam oder Befehlsverweigerung zu tun. Widerstand ist vielmehr eine sittlich-politische Frage, die unter ganz bestimmten Umständen auch an den Soldaten – nicht etwa nur an den höchsten – herantritt, wie an jeden anderen Staatsdiener und Staatsbürger auch. Widerstand ist kein politisches Normalverhalten, sondern nur dann gegeben, wenn der Rechtsstaat zum Unrechtsstaat geworden ist und legale Wege zur Abstellung unerträglicher Mißstände und Gefahren versperrt sind. Die Legitimierung des Widerstandes gegen das Dritte Reich ist daher

  • keine Untergrabung der Schlagkraft der Bundeswehr und keine Bedrohung der Bundesrepublik
  • sondern vielmehr Gerechtigkeit gegenüber Geschichte und Menschen, Hinweis auf Verteidigungswerte, Appell zu sittlicher Bindung, Aufruf zur staatsbürgerlichen Verantwortung.

Das Recht auf Notwehr gegen rechtswidrigen Angriff ist keine Aufforderung zu rechtswidrigem Tun – oder gar seine Legitimierung. Anerkennung der Berechtigung und der Motive der Widerstandsbewegung bedeuten nicht

  • identifizieren mit Menschen unlauterer Gesinnung und fragwürdiger Zielsetzung, die es selbstverständlich – wie auf der anderen Seite – auch im Widerstandslager gab,
  • eine sittliche Abwertung derjenigen, die in gutem Glauben und mit gutem Gewissen bis zum Zusammenbruch dem System gehorchten. (…)“

„(…) Heute interessieren meist nicht Haltung und Tun des einzelnen in der Ausweglosigkeit des Dritten Reiches, sondern die Beweggründe, aus denen seine Haltung entsprang.

Die damals Widerstand leisteten, wissen, daß ihnen

  • die Erkenntnis vom Charakter des Systems
  • die Einsicht in seine Untaten
  • der Entschluß zum Widerstand
  • die Möglichkeit zur aktiven Beteiligung

unter Verhältnissen zuwuchsen, die nur für relativ wenig Menschen gegeben waren. (…)“

 

„(…) Die bis zuletzt Gehorchenden hatten bis heute hinreichend Gelegenheit, sich ein treffendes Bild vom Nationalsozialismus zu machen. Der Einsichtige wird anerkennen,

  • daß die Beurteilung der sittlichen und politischen Lage durch die Widerständler zutreffend war,
  • daß der Entschluß zum Widerstand aus höchster Verantwortung für letzte menschliche Werte, Volk und Truppe kam,
  • daß nicht nur das Leben, sondern die ganze Existenz mit Ehre, Ansehen und Geltung, Familie und Vermögen aufs Spiel gesetzt wurde,
  • daß das NS-Regime eine Situation geschaffen hatte, die in der deutschen Geschichte einmalig war, jeder Tradition widersprach und mit herkömmlichen Mitteln nicht zu lösen war.

jeder sollte sich heute um Verständnis für den damaligen Standort des anderen bemühen.

 

Alle sollten sich gemeinsam als Staatsbürger dafür verantwortlich fühlen, daß jene anormalen Zustände nicht wiederkehren, in denen die allgemein verbindlichen Werte der sittlichen Grundordnung so weit in Frage gestellt wurden, daß der einzelne vielfach keine klare Grenze zwischen Gut und Böse, Recht und Unrecht mehr zu erkennen vermochte, also in eine ausweglose Situation geriet. (…)“

„(…) Daß die Widerstandsaktion des 20. Juli – politisch gesehen – zunächst mißlungen ist, spielt bei der Beurteilung des Gesamtphänomens keine Rolle. Die Männer vom 20. Juli 1944 waren sich – bei Kenntnis der politischen, personellen und technischen Schwierigkeiten – durchaus darüber klar,

  • daß der Aufstand voraussichtlich nicht oder nur sehr schwer erfolgreich sein würde, denn sie kannten die Totalität des nationalsozialistischen Staates nur zu gut,
  • daß ein eventuell zu erreichender Teilerfolg ohnedies schon den Todeskeim des Widerstandes in sich getragen hätte, denn mit dem Unrechtsstaat gibt es keine Kompromisse,
  • daß es hier auch weniger um einen greifbaren vordergründigen Teilerfolg ging – so sehr er auch angestrebt wurde –, sondern vielmehr um eine grundsätzliche Dokumentation:
  • daß es zu diesem Zeitpunkt nur noch darauf ankam, der Welt zu zeigen, daß Recht, Freiheit und Gewissen in Deutschland nicht endgültig zerstört sind, sondern im Gegenteil noch ganz erstaunliche Kräfte entfalten können.

 Bei der Zusammenschau dieser Tatsachen werden Motive und Bedeutung der menschlichen Haltungen der Widerständler im Angesicht der Aussichtslosigkeit nur noch vertieft.

 Daß darüber hinaus der nationalsozialistische Unrechtsstaat durch eine totale Katastrophe von weltgeschichtlichem Ausmaß vernichtet wurde, kann – trotz allen daraus entstandenen Leides – von unserem Volk nachträglich noch als Gnade erkannt werden. Um so mehr erwächst aus dieser Erkenntnis eine neue Verpflichtung. (…)“

 „(…) Das Problem des Widerstandes bleibt von höchster Aktualität,

  • solange wir nicht einen gemeinsamen Standpunkt gegenüber dem Dritten Reich gefunden haben,
  • solange jenseits der Elbe 17 Millionen Deutsche weiter in einem Unrechtsstaat leben müssen,
  • solange das Totalitäre die freiheitliche Welt bedroht.

Dem Totalitären können wir die Stirne nur bieten,

  • wenn wir sein Wesen kennen, d.h.: uns mit dem Dritten Reich und den Methoden des totalen Staaten auseinandersetzen,
  • wenn wir die Haltung des Widerstandes gegen das Unrecht mit in unsere Tradition hineinnehmen,
  • wenn wir wachsam und selbstkritisch bleiben, damit nicht wieder das Totalitäre auf legalem Wege Herrschaft über uns gewinnt.

Wer heute die Notwendigkeit und innere Berechtigung des 20. Juli nicht bejaht, kann nicht qualitativ unterscheiden zwischen Pankow und Bonn. (…)“

(Bundesministerium der Verteidigung, Abteilung Streitkräfte I (Hrsg.). Handbuch Innere Führung. Hilfen zur Klärung der Begriffe. Bonn 1966, S. 79-87)