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Denkmal des Monats April 2021

Hochhaus am Bahnhof / Bahnhofstraße 47

Aufbruch der Stadt in die Moderne Zeit

Der in den Jahren 1927 und 1928 errichtete Bau war bei seiner Vollendung das höchste profane Gebäude der Stadt Koblenz. Er spiegelt architektonisch den Aufbruch der Stadt Koblenz in die moderne Zeit, doch dieser „Kopfbau“, als Teil einer Bebauung des Bahnhofplatzes geplant, blieb bis in die 50er-Jahre der einzige moderne Bau an diesem Platz.

Im Jahr 1924 schrieb die Stadt Koblenz einen Wettbewerb aus, um dem Nordrand des Bahnhofplatzes einen städtebaulichen Akzent zu geben. Ein 1925 in dem Band „Deutschlands Städtebau: Coblenz“ publizierter Entwurf zeigte an dieser Stelle einen konventionellen hohen Bau mit steilem Satteldach, aber schon mit einer Straßendurchfahrt. Der Wettbewerb brachte ein ganz anderes Ergebnis. Die Gewinner, die Architekten Adolf Abel (1882-1969, seit 1925 Kölner Stadtbaudirektor) und Karl Böhringer (Stuttgart), antworteten auf den neobarocken Hauptbahnhof, der bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg eine große Kuppel besaß, mit einem „Kopfbau“ in modernen Formen.

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    Eine Rahmenkonstruktion aus Eisenbeton, also armiertem Beton (heute: Stahlbeton), bildet die Struktur des Gebäudes. Die klare funktionale Gestaltung greift Tendenzen der modernen Architektur auf, in der die Form der Funktion folgt. Allerdings gingen Architekten und Bauherrin nicht so weit, wie das Bauhaus auf helle Putzfassaden zurückzugreifen. Die Außenhülle des Gebäudes besteht aus Ziegeln.

    Ansicht Baudenkmal Bahnhofstraße 47
    Ansicht Baudenkmal Bahnhofstraße 47

    Man spricht hier von den Formen des Ziegel-Expressionismus, denn der Bau hat bei aller Klarheit auch expressive Elemente. Diese beginnen beim Torbogen als Durchfahrt der Bahnhofstraße. Er öffnet die Front des Gebäudes weit, ist mit Sandstein-Bogen und -Lisenen akzentuiert und weist über dem Bogen eine strahlenförmige Anordnung der Ziegelsteine auf. Zugleich reflektiert die große Straßendurchfahrt mit den seitlichen Fußgängerpassagen die Tore der preußischen Stadtbefestigung, die bis um 1890 in Koblenz bestanden. Mainzer Tor, Löhrtor und Moselbrückentor hatten zusätzlich zu den Durchfahrten solche Passagen erhalten, als der Verkehr zunahm.

    Weitere Akzente setzen ein polygonaler Standerker neben der Durchfahrt am Bahnhofplatz, die eckigen Erker zur Emil-Schüller-Straße hin, das gerundete Treppenhaus neben der Durchfahrt auf der Hofseite an der Bahnhofstraße und dezente formale Details am Flügel an der Bahnhofstraße. Prägend ist das eigentliche Hochhaus, der „Kopfbau“, mit seinen acht Geschossen – das oberste Geschoss steigert den Bau durch eine größere Geschosshöhe mit entsprechenden Fenstern –, der Tordurchfahrt und dem flachen Dach. Daran angeschlossen ist der ähnlich gestaltete, aber niedrigere Flügel zwischen Bahnhofstraße und Emil-Schüller-Straße. Er hat fünf Geschosse und ein Satteldach.

    Detailgestaltung Baudenkmal Bahnhofstraße 47

    Das Hochhaus am Bahnhof erinnert wegen seiner Nutzung durch die NSDAP-Gauleitung auch an die Rolle der Stadt Koblenz in der Zeit des nationalsozialistischen Regimes (1933-1945).

    Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) richtete nach ihrer Machtergreifung im Haus Emil-Schüller-Straße 18 ihr Gaugericht ein. In den eigentlichen „Kopfbau“ mietete sich 1935 die Gauwaltung der Deutschen Arbeitsfront (DAF) ein, der NS-Organisation für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die die Gewerkschaften ersetzte. Ihr angeschlossen war die Organisation „Kraft durch Freude“, die die Freizeit der Volks- und Parteigenossen organisieren sollte und sogar in die Gestaltung des rheinischen Karnevals eingriff. Auf dem Dach des Hauses bildeten für einige Jahre riesige Lettern den Propaganda-Spruch „Nur Arbeit adelt“.

    Von 1938 bis 1945 befanden sich in den Häusern Emil-Schüller-Straße 18/20, die dem „Kopfbau“ zwischen Bahnhofstraße und Emil-Schüller-Straße angegliedert sind, die Gauleitung der NSDAP und das Reichspropagandaamt. Gustav Simon (1900-1945) leitete von hier aus den Gau Koblenz-Trier, der ab 1941 „Moselland“ hieß. Da die Strukturen der NSDAP zunehmend mit den Verwaltungsstrukturen verwoben wurden, bestimmte Simon mit seiner Gauleitung zunehmend das Leben an Rhein und Mosel. Zudem übernahm er 1940 die „Germanisierung“ des besetzten Luxemburgs und organisierte am Ende des NS-Regimes als „Reichsverteidigungskommissar“ für seinen Gau den Widerstand gegen die vordringenden alliierten Truppen. Das NS-Regime nutzte den stadtbildprägenden Charakter des Hochhauses am Bahnhof für Propagandazwecke. Bis Anfang 1945 war es über und über mit großen Hakenkreuz-Fahnen bestückt.

    Nachdem Einheiten von General Pattons 3rd Army am 19. März 1945 Koblenz linksrheinisch und am 27. März auch rechts des Rheins befreit hatten, sorgte die amerikanische Besatzungsmacht und ab Juli 1945 die französische Besatzungsmacht dafür, dass Koblenz eine neue, nicht von Nationalsozialisten geprägte Verwaltungsleitung erhielt und die Stadtverwaltung ihre Arbeit wieder voll aufnehmen konnte. Das Hochhaus am Bahnhof und der angeschlossene Bau an der Bahnhofstraße wurden zu einem Sitz der Stadtverwaltung. Die Stadt Koblenz hatte das Haus in den 1920er-Jahren als Wohn- und Geschäftshaus geplant. An diese Zeit erinnert noch die Schaufensterfront im Erdgeschoss, in der sich heute das Bauberatungszentrum der Stadt Koblenz befindet.

    In der Nachkriegszeit wurde aus dem Gebäude, dessen Inneres ohnehin schon für eine Büronutzung aufgeteilt war, das sogenannte Technische Rathaus. Heute ist das Gebäude Sitz des Baudezernates sowie des Umweltamtes der Stadt Koblenz.