Schritte zur Vermessung der Welt
Mit der zunehmenden Vermessung der Welt im 19. Jahrhundert kam auch auf dem Rhein das Bedürfnis nach einer genaueren Orientierung auf. Auch der Rhein wurde vermessen. Zur Orientierung wurde zudem bis zum Jahr 1867 alle zehn Kilometer ein Paar von Myriametersteinen am Rheinufer aufgestellt. Die moderne Rheinkilometrierung hat diese Steine ihrer Bedeutung beraubt; nur wenige Beispiele sind erhalten. Gleich zwei davon stehen in Koblenz auf dem linken Rheinufer, in Stolzenfels und Kesselheim.
Diese Steine sind bedeutende Zeugnisse der ersten Vermessung des Rheines. Wer vor ihnen steht und ihre Daten liest, sieht sich genauer am Rhein verortet, ist eingebunden in diesen Strom, der die Menschen in Mitteleuropa miteinander verbindet, als Verkehrs- und Handelsweg wie auch als Band voller Sagen, Legenden und Geschichte
Weitere Infos zum Myriameterstein
1839 gründeten sechs Anrainerstaaten des Rheines in Amsterdam die „Central-Commission für die Rheinschiffahrt“. Beteiligt waren Frankreich, die Niederlande, das Großherzogtum Baden, das Königreich Bayern, das Großherzogtum Hessen und das Königreich Preußen. Nur die Schweiz wirkte nicht mit.
Von 1831 bis 1839 erfolgte die erste Längenmessung des Rheins. Als Maßeinheit diente bereits den Meter statt der Meile, die von Land zu Land unterschiedlich definiert war. Frankreich hatte den Meter 1837 eingeführt; die deutschen Länder unternahmen diesen Schritt erst ab 1868. Der Nullpunkt für die Kilometrierung des Rheines hätte die französisch-schweizerische Grenze bei Hunningue/Hüningen sein müssen, wo sich nach der heutigen Zählung der Rheinkilometer 168,15 befindet, doch man wählte als Nullpunkt die Achse der mittleren Baseler Rheinbrücke. Nach neuesten Berechnungen ist der Rhein 1.234 Kilometer lang. Die für die Schifffahrt relevante Kilometrierung beginnt aber weiterhin nicht an den Quellen. Seit dem 1. April 1939 liegt der Stromkilometer 0 auf der Fahrbahnmitte der Rheinbrücke in Konstanz am Auslauf des Hochrheins aus dem Bodensee. Dies legte die „Verordnung für die Rheinschifffahrt“ des Reichsverkehrsministeriums des Deutschen Reiches fest. Der Rhein mündet heute bei Kilometer 1.031,8 bei Hoek van Holland gegenüber Rotterdam in die Nordsee.
Im 19. Jahrhundert genügte es nicht, den Rhein auf Karten genau zu dokumentieren. Vermesser und Schiffer brauchten auch eine sicht- und greifbare Orientierung an den Ufern des Stroms. Heute sind uns die weißen, schwarz umrandeten Tafeln und Wandgemälde mit den Rheinkilometern vertraut, ebenso die einstelligen schwarzen Ziffern auf weißem Grund, die als Zwischenschritte jeweils 100 Meter anzeigen. Ganz so augenfällig fielen die Zeichen des 19. Jahrhunderts nicht aus. Allerdings waren die Schiffe, selbst die Dampfschiffe, damals noch deutlich langsamer unterwegs als die heutigen Schiffe. So manches Schiff wurde zudem immer noch den Rhein hinauf getreidelt und war damit ohnehin eng mit dem Ufer verbunden.
Im Jahr 1867 wurden entlang des Rheines alle zehn Kilometer auf jeder Seite des Stromes gut sichtbare, unverrückbare Steine aus Ibbenbürener Sandstein aufgestellt. Da 10.000 Meter ein Myriameter sind, heißen diese Steine der ersten Rheinkilometrierung „Myriametersteine“. Sie hatten eine Kantenlänge von 50 Zentimetern und obenauf eine pyramidenförmige Fläche, die das Ablaufen des Regenwassers begünstigen sollte. Einige Steine erhielten zusätzlich einen 50 Zentimeter hohen Sockel.
Nur wenige dieser Myriametersteine haben die Zeiten überdauert. In Koblenz stehen noch zwei dieser Steine, der Stein mit der Nummer XLII (42) in Stolzenfels nahe dem heutigen Rheinkilometer 587,5, unweit der Brauerei an der Königsbach, und Stein Nummer XLIII (43) beim heutigen Rheinkilometer 597 in Kesselheim.
Auf der Stromseite zeigen die Myriametersteine ihre Nummer. Die Koblenzer Steine geben also bekannt, dass sie die historischen Stromkilometer 420 und 430 markieren. Üblicherweise steht unter der Nummer des Steins noch eine Höhenangabe. Sie fehlt bei dem Stein in Stolzenfels. Auf dem Kesselheimer Stein ist aber zu lesen: „63,385 M über A. P.“ Dies bedeutet, dass der Stein 63,385 Meter über dem Amsterdamer Pegel liegt. Dies entspricht der heutigen Höhe über Normalnull (NN) oder Normalhöhennull (NHN). Diese Höhenangabe half dabei, das Gefälle des Rheins zu ermitteln.
Auf der Landseite der Steine steht die Entfernung vom Anfangs- und vom Endpunkt der Kilometrierung. So lesen wir auf dem Stein in Stolzenfels: „420,00 KM von Basel – 404,450 KM bis Rotterdam“. Auf den beiden verbleibenden Flanken des Steins ist jeweils die Entfernung bis zur Landesgrenze verzeichnet. Auf der Oberstromseite des Stolzenfelser Steins steht: „57,780 KM von der Landes Grenze“. So weit ist der Stein von der damaligen preußischen Landesgrenze bei Bingerbrück entfernt. Auf der Unterstromseite lesen wir: „274,364 KM bis zur Landes Grenze“. Dies ist die Distanz zur preußischen Landesgrenze unterhalb von Emmerich am Niederrhein. Beim Kesselheimer Stein sind die Entfernungsangaben, entsprechend seiner Position zehn Kilometer rheinabwärts, gegenüber dem Stein in Stolzenfels um zehn Kilometer erhöht beziehungsweise reduziert.