Das Görreshaus in der Koblenzer Altstadt
Der außen wie innen weitgehend original erhaltene Saalbau ist nicht nur eines der wenigen erhaltenen Werke des Stadtbaumeisters Hermann Nebel, sondern auch einer der prägendsten Orte der parlamentarischen Demokratie in Rheinland-Pfalz nach dem Zweiten Weltkrieg.
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Nach dem Eindruck der Kulturkämpfe in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gründete sich 1863 zur Förderung des katholischen Lebens im Rheinland der „Katholische Leseverein“ in Koblenz. Hierzu bedurfte es, auch aufgrund steigender Mitgliederzahlen, eines eigenen Versammlungshauses, um das literarische und gesellschaftliche Leben zu fördern.
Beauftragt wurde der Koblenzer Stadtbaumeister Hermann Nebel (1816 – 1893), welcher seit 1847 im Amt war und auf seinen Europareisen einen großen Sachverstand in Architektur erworben hatte. Als Baugrundstück wurde das Haus des Waffen- und Metallhändlers Paul Schäfer an der Firmungstraße erworben. Der Zugang führte über den Eltz-Kempenicher Hof. Am 24. April 1865 fand die feierliche Grundsteinlegung des Neubaus statt; eine eigens gegründete Baukommission kümmerte sich um Planung und Finanzierung. Die 42.000 Taler Bausumme wurden über einen Sparverein der Mitglieder aufgebracht. Am 28. Januar 1866 wurde der damals noch freistehende Bau mit einem großen Festakt eingeweiht. Eine erste Renovierung und Erweiterung erfolgte 1883; der größte Anbau entstand mit einem neugotischen Gebäudetrakt 1898/99 an der Eltzerhofstraße. Der originale Dachstuhl des Görreshauses wurde 1927 bei einem Großbrand vernichtet. Der Bombenangriff vom 28. Dezember 1944 zerstörte den neugotischen Längsbau vollständig, aber das eigentliche Görreshaus wurde nur geringfügig beschädigt. Am 6. Juni 1946 konnte der Leseverein wieder Versammlungen darin abhalten; 1947 folgte eine erste Renovierung.
In demselben Jahr ordnete General Pierre Koenig, Militärgouverneur der französischen Besatzungszone, die Schaffung eines „rhein-pfälzischen Landes“ aus den ehemaligen Regierungsbezirken Koblenz, Montabaur, Trier, Mainz und Pfalz sowie die Ausarbeitung einer Verfassung durch eine demokratisch gewählte „Beratende Landesversammlung“ an. Im Theater der Stadt Koblenz hielten die Mitglieder, 121 Männer und sechs Frauen, am 22. November 1946 die erste konstituierende Sitzung ab. Da das Theater keine dauerhafte Lösung sein konnte, musste nach einem anderen Gebäude gesucht werden, was angesichts der starken Zerstörungen in Koblenz schwierig war. Nach einer Interimsphase im Jahr 1947 im Rathaussaal konnte im September 1948 das Görreshaus bezogen werden. Der Landtag verblieb bis zum Umzug in die endgültige Landeshauptstadt Mainz im März 1951 im administrativen Regierungssitz Koblenz. Somit fanden bedeutende Strecken der Gründungsphase des Landes Rheinland-Pfalz im Görreshaus statt.
Nach 1951 nutzte der Katholische Leseverein das Görreshaus wieder. In diese Zeit fiel auch der Wiederaufbau des Längsbaus als Haupteingang an der Eltzerhofstraße in sehr schlichten Formen der Nachkriegsmoderne.
Die finanzielle Belastung wuchs in den nächsten zwei Jahrzehnten stark an, sodass die Gebäude 1972 an die Stadtverwaltung Koblenz verkauft werden mussten. Das Land Rheinland-Pfalz kaufte die Gebäude 1983 an, um 1985 eine Grundsanierung durchzuführen. Seitdem nutzt das Staatsorchester Rheinische Philharmonie das Bauwerk als Proben- und Konzertsaal.
Gestalterisch ist das Gebäude eine erlesene Mischung aus verschiedenen Baustilen, die eine Kombination aus Klassizismus und Gotik darstellt, wie sie zur selben Zeit Karl Friedrich Schinkel in Preußen vertrat. Während die Außenmauern streng geometrisch und rasterförmig nach Achsen angeordnet sind, erfolgt die Unterteilung der Hochachsen mit gotischen Strebepfeilern, Wetterschlägen und Maßwerkfenstern. Das Innere präsentiert sich noch annähernd im Originalzustand, inklusive floraler Ausmalungen, Holzvertäfelungen und neogotischer Empore. Das Görreshaus ist somit ein Gesamtkunstwerk des 19. Jahrhunderts, das in Koblenz in dieser Form einzigartig ist.
Den Namensgeber des Hauses, den Koblenzer Publizisten Joseph Görres, würdigt ein Porträt-Relief an der Hauptfassade. Joseph Görres wurde 1776 in Koblenz geboren. Nach einer Tätigkeit als Lehrer an der Koblenz Secondärschule, die Lehrer ausbildete, gehörte er 1806 bis 1808 als Dozent der Universität Heidelberg zum Kreis der Heidelberger Romantik mit Achim von Arnim, Clemens Brentano und Joseph von Eichendorff. Seine Tageszeitung „Rheinischer Merkur“, die ab 1814 in Koblenz erschien, erreichte eine wirksame Verbreitung und war so progressiv, dass sie im Königreich Preußen 1816 verboten wurde. Görres‘ Eintreten für eine Verfassung und eine Volksvertretung führten dazu, dass er vor seiner Inhaftierung nach Bayern fliehen musste. Unter Förderung von König Ludwig I. wirkte er bis zu seinem Tod 1848 als Professor der Literaturgeschichte in München. Mit dem Görreshaus würdigten die Koblenzer Katholiken Görres als publizistischen Unterstützer des Katholizismus im preußischen Rheinland.